Donnerstag, 21. Oktober 2004

Tag 35, Von Campobecerros nach Vilar de Barrio

Wegbeschreibung und Bilder bis Laza
Wegbeschreibung und Bilder ab Laza

Heute morgen ist der Himmel wieder vielversprechend und ich gehe ausgeruht schon um halb neun los. Wunderbare Wanderung durch Kastanienwälder und kleine Dörfchen mit Steinhäusern. Und endlich auch Assicht über die grünen Hügel. Kurz vor Laza treffe ich auf die ersten Schweizer Pilger, die mich gleich mit Namen begrüssen: Nicole und Gilbert. Sie machen den Weg umgekehrt. Ich geniesse es, wieder mal Muttersprache zu sprechen und zu hören.
In Laza werde ich gleich ins Pilgerrestaurant gelotst und esse wieder mal ein Monster-Bocadillo mit lokaler Chorizo und davor eine stärkende Suppe. Die Inhaberin ist sehr mütterlich-besorgt und spricht französisch, als sie hört, dass ich aus der Schweiz bin. Sie hat lange im Wallis bei Martigny gearbeitet. Danach finde ich noch eine Pöstlerin, die extra für mich und meinen Brief mit Tagebuchnotizen das Büro nochmal aufmacht.
Dann geht es auf wunderbaren Naturpisten durch das fruchtbare und idyllische Tal. Ich begegne einem alten Bauern und erzähle ihm, dass ich nach Vilar de Barrio will, worauf er mich befremdet anschaut und nur "abaixo" sagt. Was das heisst, stellt sich dann bald heraus. Es geht nur noch aufwärts auf felsigem Pfad. Dafür immer wieder phantastische Ausblicke über die zurückgelegte Strecke. Endlich bin ich oben und Albergueria kommt in Sicht. Sanfte Musik tönt aus einer Bar, in die ich schon bald reingelotst werde. Ruiz hat hier eine Pilgerbar eingerichtet und überrascht mich mit Musik aus den Siebzigern und Rock 'n Rolls aus meiner Tanzschulzeit. Joe würde es hier auch gefallen. Im Pilgerbuch finde ich den Eintrag von Conrad und an der Decke hängen schon die Pilgermuscheln von ihm, Jordi und Gerard und bald auch meine. Putter und ich bekommen eine Mahlzeit und so bleibe ich länger als geplant, aber kürzer als ich gerne möchte.
In der Gegend sehe ich immer wieder Leute Kastanien ernten. Der Weg nach Vilar de Barrio zieht sich, geht aber wenigstens nur bergab. An der Tankstelle im Ort erhalte ich den Schlüssel und habe die riesige, wunderbar warme Herberge noch ganz für mich. Statt ins Restaurant zu gehen kaufe ich wieder mal was im Laden, Käse, Wein, Wurst, Brot, Früchte und eine schmackhafte Tomate. Da nirgends ein Zapfenzieher aufzutreiben ist, lasse ich mir die Flasche vom netten Apotheker nebenan öffnen. Auf dem Rückweg läuft ein schwerbepackter Pilger vor mir her. Ich denke, jetzt gibt es Gesellschaft. Doch weit gefehlt. Ein etwas verwirrter Italiener, der den Camino frances gelaufen ist und jetzt noch nach Sevilla laufen will. Er hat Zelt und Küche dabei und einen Sack mit Lebensmitteln, aber keine Landkarte. Da kann ich ihm leider nicht helfen. So geht er weiter zum Bahnhof und will erstmal den Zug nach A Gudiña nehmen. Als ich dann beim Essen bin, die nächste Begegnung. Es klopft an die Fensterscheibe. Eine Frau wie ein kleines Wiesel, aber unheimlich zäh, steht da. Sie ist von A Gudiña in einem Tag bis hierher gelaufen und hat sogar die Nacht in Kauf genommen, um nicht mit ein paar blöden, lärmigen Pilgergenossen in Laza schlafen zu müssen. Und wieder ein Eintrag im Pilgerbuch von Conrad, den ich nochmal zu treffen hoffe.
Die Pilgerin heisst Ruth und wir verstehen uns auf Anhieb bestens. Trotzdem laufe ich dann am Morgen schon früh alleine los.