Montag, 18. Oktober 2004

Tag 32, Von Lubián nach A Gudiña

Wegbeschreibung und Bilder bis Villavieja
Wegbeschreibung und Bilder ab Villavieja

Wunderbar geschlafen und der Blick zum Balkonfenster hinaus zum Himmel zeigt nicht schlechtes Wanderwetter, etwas grau zwar, aber trocken. Und so packe ich mein Bündel wieder zusammen. Dank Heizung ist alles schön trocken. Das Lesen der Beschreibung der Tagesetappe macht mich immer ein bisschen nervös. Eine Nervosität, die sich dann aber mit den ersten Schritten auf dem Camino legt. Bisher waren alle Sorgen und Ängste vergeblich. Immer kam rechtzeitig eine Antwort auf meine Fragen. Also, wozu noch immer nervös?
Am Weg begleiten mich wieder die Moossteine. Nach der Ermita stehe ich wie der Esel am Berg. Über die Autobahnbrücke oder geradeaus? Der Pfeil sagt geradeaus, aber die Karte, die ich habe, spricht eher für die Überquerung der Autobahn. Doch schliesslich folge ich dem Pfeil. Bisher haben sie mich sicher geleitet. Als es dann aber wieder steil bergab geht, geht es mit meinen Zweifeln bergauf. Und dann kommt ein Hohlweg wie ein Gebärkanal der Erde. Rechts und links begleiten mich Farne und Wurzeln. Der Boden ist übersät von grossen Steinen, die wohl ab und zu von einem Bach verschoben werden. Es geht ständig aufwärts, keine Ahnung wohin. Irgendwann ist plötzlich Putter verschwunden. Ich rufe und pfeife, aber vergeblich. Gehe weiter und hoffe, dass er mich findet. Habe keine Kraft ihn zu suchen. Immer wieder schaue ich zurück, aber er taucht nicht auf wie sonst. Ist er abgestürzt? Braucht er Hilfe? Ist das das Ende? Verschollen im Gebirge? Doch da plötzlich trabt er an von hinten mit nassen und schlammigen Pfoten und nassem Bauch. Welche Freude und Erleichterung!
Ab und zu erhasche ich einen Blick aus dem Gebärkanal hinaus, der mir eine grandiose Aussicht auf die zurückgelegte Strecke schenkt. Dann endlich habe ich es geschafft. Fast bei den Windmühlen, die zuoberst auf dem Berg thronen und ihre Flügel in die Wolken stecken. Grenze zwischen der Provinz Zamora und Galizien. Ich mache kurz Rast und stärke mich mit Datteln, Nüssen und Rosinen. Dann geht es abwärts und gleichzeitig fängt es an zu nieseln. In La Canda mache ich meinen Rucksack regensicher mit den Sicherheitsnadeln von Jesús. Das Nieseln geht in Regen über. In Vilavella entscheide ich mich, da ich schon nass bin, aber noch Energie habe, gleich ohne Halt bis nach A Gudiña weiterzugehen. Im Regen zieht sich der Weg unendlich lang. Hügel auf, Hügel ab. Mal verlockt mich eine Landstrasse, doch es ist nicht die N525, meine Freundin, sondern die OU1x1, die nach Portugal führt. Also wieder zurück auf den Camino zu den gelben Pfeilen und zu einem alten Mann, der ein bisschen französisch spricht und mir den Weg erklärt. Urchige Landschaft mit riesigen Felsrundlingen. Langsam dringt der Regen durch Jacke und Schuhe und es wird immer ungemütlicher. Vor A Gudiña beginnt es regelrecht zu schütten. Auch Putter ist völlig durchnässt und trottet mit hängenden Öhrchen neben und hinter mir her. Wirft mir ab und zu einen fragenden Blick zu. Das Oficina del Turismo am Ortseingang ist geschlossen, aber wenigstens hängt ein Plan dort, wo die Albergue zu finden ist. Ich finde sie auch, aber auch da stehe ich vor geschlossener Tür. Lade erstmal den Rucksack ab und lasse ihn mit Putter unter dem Vordach, während ich mich auf Schlüsselsuche mache. In der ersten Bar weiss man nichts, verweist mich aber an die Casa de Cultura. Jetzt brauch ich erstmal einen wärmenden Kaffee. Dann wieder in den Regen. In der Casa de Cultura kennt der nette Typ die Telefonnummer nicht und vertröstet mich bis seine Kollegin kommt. In der Zwischenzeit erklärt er mir die kulinarischen und handwerklichen Qualitäten Galiziens, die liebevoll im kleinen Museum dargestellt werden. Obwohl pflotschnass versuche ich geduldig und aufmerksam zuzuhören. Dann endlich kommt die Kollegin. Sie fährt mich zurück zur Albergue, wo die Türe jetzt offen steht. Brauche einige Überredungskunst, damit Putter auch reinkommen darf. Dann endlich geht es ans Trocknen und Aufwärmen. Später taucht noch Xavier auf mit Bici, auch völlig durchnässt. Ich treffe ihn dann später wieder im Hostal Oscar zum Essen. Die ganze Nacht peitscht der Wind Regenböen gegen das Fenster. Doch neben der eingeschalteten Elektroheizung im warmen Schlafsack ist es gemütlich und ich schlafe gut.