Freitag, 15. Oktober 2004

Tag 29, Von Calzadilla de Tera nach Mombuey

Wegbeschreibung und Bilder bis Rionegro del Puente
Wegbeschreibung und Bilder ab Rionegro del Puente

Habe wiedermal göttlich geschlafen nach dem Wein, den spannenden Geschichten und auf der guten Matratze und brauche einige Überwindung aus dieser warmen und bequemen Stellung aufzustehen. Conrad rumort schon wieder und so schäle ich mich aus meinem Schlafkokon. Mit dem Sisalhandschuh aktiviere ich die innere Heizung. Ziehe wieder als erste los in einen kalten, aber schönen Tag hinein. Für Venus bin ich heute etwas zu spät. Dafür begrüsst mich die Sonne bald, diesmal von hinten. Es geht alles einem Kanal entlang durch das Flusstal der Tera. Herbstliche Farben, Laub am Boden. Das Rascheln der Pappeln. 2 alte Leutchen, die Mais ernten.
Dann überschreite ich einen riesigen Staudamm mit Flusskraftwerk und danach geht es auf einem Camino Agricola alles dem Stausee entlang. Wunderschöne Uferplätze mit Felsen und kleinen Stränden. Vor 10 Tagen noch hätte ich Lust auf ein Bad bekommen, aber jetzt friert mich schon, wenn ich das Wasser sehe. Dann geht es weg vom Stausee und versteckt hinter Bäumen tauchen Häuser auf: Villar de Farfón. Ein zauberhaftes Dörfchen, aber keine Menschenseele zu sehen. Alles sauber und blumengeschmückt, doch die Menschen scheinen weggezogen zu sein. Nicht mal Hunde sind zu sehen.
Bei der Kirche lese ich die Schrifttafel an die Pilger:

soledad, sentir la presencia en la ausencia.
Alleinsein, das Dasein spüren in der Leere.

Und so setze ich mich hin und fühle in die Leere hinein.
Auf einem Trampelpfad geht es dann weiter durch naturbelassene Landschaft. Die Sonne scheint warm und lädt mich ein zu einer Rast. Nehme die Einladung gerne an. Putter bekommt ein Paar Würstchen und ich beisse genussvoll in einen Apfel. Dann noch ein paar Ciruelas, Datteln und Aprikosen und gestärkt geht es weiter.
Nach einer knappen Stunde komme ich wieder in die Zivilisation: die Häuser von Rionegro del Puente tauchen auf. Vor mir läuft der Pilger mit dem Esel über die Brücke. Endlich treffe ich ihn. Er macht halt in der Bar neben der Kirche und dort lande ich auch. Conrad sitzt auch schon da bei einem leckeren Chorizo-Bocadillo und einer Caña. Er hat die Abkürzung über die Strasse genommen. Ich bestelle auch ein Chorizo-Bocadillo und es kommt ein wahres Monster-Sandwich aus einem halben Pariserbrot dick gefüllt mit Tomaten und Chorizo. Früher hätte mir die Hälfte genügt. Doch jetzt mag ich es locker. Putter reagiert mit Knurren und Beissen auf die Liebkosung von José. Wittert er Konkurrenz vom Esel, den ich streichle?
Nach einer halben Stunde brechen wir auf nach Mombuey. In meinem Tempo bin ich bald wieder allein. Erstaunlich schnell tauchen die ersten Häuser von Mombuey auf. Etwas ratlos suche ich nach der Herberge. Da taucht auch Conrad wieder auf, ziemlich geschafft und mit schmerzenden Füssen. Im Hotel Rapina erhalten wir den Schlüssel und nehmen noch einen Café con Leche. Die Albergue ist ein herziges Häuschen in der Nähe der Kirche. Duschen, Waschen. Conrad geht ins Centro de Urgencias zur Fusspflege und José trifft ein mit Tomas, seinem Esel. Ich kaufe ein neues Handtuch, wieder WC-Papier und Futter für Putter, der Durchfall hat. Will noch wollene Unterhosen kaufen, aber das gibt es hier nur für Männer. Wie ich die Kälte hier überstehen soll, weiss ich noch nicht. Anscheinend liegt noch ein Pass mit 1300m Höhe ü.M. vor mir. Vielleicht gibt es was Wärmendes in Puebla de Sanabria. Zum Essen gehen wir zu dritt ins Hotel Rapina. Nehme Judias Verdes und Ternera Guisante, was ich für Fleisch mit Erbsen halte. Ist es aber nicht. Einfach Fleisch an einer Sauce, aber auch ganz lecker und dazu wieder einen Toro Wein. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass Toro eine Stadt am Duero ist östlich von Zamora.
José erzählt, dass er AIDS hat. Er trinkt keinen Tropfen Alkohol mehr, da er früher grosse Probleme mit allen möglichen Drogen hatte. Dann geht es zurück durch die Kälte. Zum Glück haben wir einen Heizkörper im Albergue. Dank dem trocknet auch meine Wäsche bis am Morgen.
Am Nachmittag hat mich noch der Pfarrer angesprochen, weil Tomas die Blumen im Kirchengarten frass. Er sorgte sich, dass Tomas auch das Unkraut frisst, das geschwefelt wurde.