Mittwoch, 13. Oktober 2004

Tag 27, Vom Rio Esla nach Tábara

Wegbeschreibung und Bilder

Dann endlich geht Venus auf und der Horizont wird heller. Doch bis die Sonne aufgeht und wirklich wärmt vergehen nochmal gut 2 Stunden. Dann endlich ist auch das ausgestanden. Mit klammen Gliedern schlüpfe ich in die Wanderklamotten, rolle den leicht feuchten Schlafsack zusammen und ziehe los. Alles ist steif, die Füsse spüre ich kaum beim Laufen. Doch mit der Zeit kommt die Wärme zurück und auch die Sonne hilft mit. In Faramontanos steuere ich erstmal die Bar Boya an. Bestelle für mich ein Bocadillo mit Tortilla Francesa und ein Bier. Für Putter gibt es mangels anderem 2 Dosen Katzenfutter. Dann noch einen wärmenden Kaffee. Und weiter geht es. Gegen 13 Uhr bin ich schon in Tábara mit seinem markanten 4-eckigen Glockenturm. Die netten Bewohner zeigen mir den Weg zur Albergue. Bald habe ich den Schlüssel und freue mich auf eine heisse Dusche. Die Albergue befindet sich bei einem Lavadero etwas oberhalb des Dorfes. Ganz neu eingerichtet und schon etwas schmuddelig. Doch auf Putzen habe ich jetzt keinen Bock. Zuerst hänge ich den feuchten Schlafsack an die Sonne, dann wasche ich und zuletzt die heisse Dusche, welche Wonne. Das Wasser ist richtig heiss, nicht so lau wie in Zamora, und ich geniesse es mal wieder ausgiebig zu duschen.
Draussen scheint die Sonne und ich lasse mich noch etwas wärmen. Doch dann vertreibt mich ein kalter Wind und ich mache noch 1 Stunde Siesta. In einem Café trinke ich dann eine heisse Schokolade und esse ein Empanadilla mit Chorizo. Für Putter kaufe ich 2 Dosen Callos auf Empfehlung von Jesús und noch einige Früchte für mich.
Begleitet werde ich da schon von Conrad, einem älteren, englischen Pilger, den ich schon mal in El Cubo getroffen hatte, als er sein Handy suchte. Er ist ziemlich geschafft und wohl deshalb etwas verwirrt. Erzählt mir, wie er trotz falscher Bankkarte in Zamora wieder zu Geld gekommen ist. Überhaupt spricht er ziemlich viel, aber wenigstens interessant und amüsant. Er hat über 20 Jahre in Botswana gelebt. Spricht Spanisch auf Universitätsniveau, wenn er nicht zu müde ist, hat 5 Kinder und ist geschieden. Ein Sohn lebt in Saudiarabien. Dieser macht sich grosse Sorgen um seinen Vater und will, dass er sich täglich bei seiner Schwester meldet. Da er sein Handy verloren hat, ist es ein ziemlicher Stress für ihn, immer eine funktionierende Telefonkabine zu finden und das System des Anrufens mit Telefonkarten zu verstehen. Jeder hat halt seinen eigenen Pilgerstress. Er erinnert mich an die ersten englischen Touristen, die richtig stilvoll reisten, gut angezogen und eben mit Stil. Sein Rucksack ist auch entsprechend gross und schwer. Ich glaube, noch schwerer als meiner. Wir haben beide Riesenhunger und so verabreden wir uns im Restaurante Galicia, das etwa 1km von der Albergue entfernt an der Hauptstrasse liegt. Muss mich überwinden, diesen Weg noch zu machen, aber eine warme Mahlzeit ist eben auch nicht zu verachten. Es ist schon dunkel um 8 Uhr und ich laufe sicherheitshalber auf der linken Strassenseite. Doch plötzlich braust was haarschaft an mir vorbei, ein Lastwagen der überholt. Ich bedanke mich bei meinem Schutzengel und bin froh, dass ich Putter in der Albergue gelassen habe. Wenigstens ist dann das Essen den Weg wert. Zuerst gibt es einen währschaften Linsentopf mit Chorizo und dann Forelle mit Pommes und einer dicken Knoblauchsauce. Dazu wieder Toro Wein und zum Dessert Flan. Und die Unterhaltung durch Conrad ist auch interessant. Er ist Mitglied in der Convention of St.James, deren neustes Projekt ist, eine alte Ruine auf dem Camino Frances zur Albergue umzubauen. Alles mit Freiwilligenarbeit. Und dann erzählt er mir noch von Jackie, die er auf der Plaza Mayor in Zamora getroffen hat und von El Loco con el burro, der vor uns läuft und gestern in der Herberge geschlafen hat. Vielleicht treffe ich ihn auch noch. Im frischgesonnten Schlafsack und auf der guten Matratze schlafe ich herrlich und ohne zu frieren. Putter darf in der Küche schlafen. Draussen ist es wieder bitterkalt.