Wegbeschreibung und Bilder bis Silleda
Wegbeschreibung und Bilder ab Silleda
Morgens um halb neun ist noch alles still. Doch der Schlüssel steckt und so drehe ich mit Putter eine Runde in den kalten, aber freundlichen Morgen hinein. Kaffee und 2 Cookies in der Taberna do Vento und dann noch ein Früchteteller bei meiner Wirtin. So gestärkt geht es gutgelaunt unaufhaltsam Richtung Santiago. Die Wege sind immer noch schlamm- und regengepfützt. Wunderschöne Römerbrücke über den Rio Deza und herrlich urchige, moosige und flechtenbehangene Eichen- und Kastanienwälder. Nebelschwaden steigen auf und verflüchtigen sich mit der Zeit wieder.
2km vor Silleda raste ich bei einem Kirchlein mit Crozeiro und esse meinen Apfel, als eine Frau auftaucht. Wir kommen über das übliche Vorgeplänkel ins Gespräch. Als ich den Verkehr und den Lärm erwähne und frage, ob sie gut schlafen kann, kommt sie plötzlich auf ihre Nerven zu sprechen. Tränen treten in ihre Augen und sie erzählt mir die traurige Geschichte ihres Lebens. Dass ihr Mann ihr Hörner aufgesetzt hat und nicht arbeiten will. Dass sie nur im Haus bleibt wegen ihrer Schwiegermutter, um sie zu pflegen. Und viele Details, die ich nicht ganz verstehe und auch nicht unbedingt verstehen will. Ich umarme sie, um ihr ein bisschen Trost und Liebe zu geben. Dann ziehe ich weiter und sie lässt ihre Schafe auf die Weide. Danach denke ich, wie verrückt, dass sie die Mutter pflegt, die diesen tollen Sohn aufgezogen hat. Und warum mir die Frauen hier immer wieder von der Untreue ihrer Männer erzählen. Das scheint einfach die Natur der Männer zu sein. Und es ist mein Problem, wenn ich mich dadurch betrogen fühle. Jeder sollte doch seine Natur leben können.
Auch die vielen Kirchen hier und die Cruceros beschäftigen mich und die eingesperrten Heiligen am Weg, denen man zwar manchmal Blumen und Kerzen hinstellt, die aber sonst ein ziemlich tristes Dasein führen. Irgendwie schwer und ohne Freude. Unendliches Leiden.
Silleda macht mich gar nicht an zum Rasten, obwohl es hier alles geben soll. Laufe durch. Von einem fahrenden Bäcker kaufe ich noch ein Stück Brot, falls gar kein Restaurant mehr auftaucht. Ein Schild mit der Aufschrift Albergue dos Peregrinos lockt mich vom direkten Camino weg. Doch eine Albergue kommt nicht in Sicht. Dafür sehe ich ein Stück vor mir 2 Peregrinos, die sich auf der Hauptstrasse zur nächsten Siedlung schleppen. Ich folge ihnen und treffe so wieder auf Manolo, der sich jedesmal um Futter für Putter bemüht, und Carlos, der ziemlich hinkt. Wir landen im gleichen Restaurant und essen zusammen. Dank der Ermunterung von Ruth gelingt es mir auch, dem Schnell- und Vielredner Manolo gegenüber offen zu bleiben ohne mich gleich ängstlich in mein Schneckenhaus zurückzuziehen. Und siehe da, er passt sich meinem langsameren Verstehen und Reden etwas an, indem er einfach alles 2- bis 3mal wiederholt. Ganz unverdrossen und fröhlich. Am Schluss spendiert er mir auch noch einen Schnaps. Danach mag ich nicht mehr weiterlaufen und buche gleich ein Zimmer für 15 Euro. Gegen das gestrige ein wunderbar freundlicher, trockener, sauberer Ort. Sogar Putter darf wieder mal auf's Zimmer, nachdem ich versichere, dass er sauber ist und nicht bellt. Er braucht auch eine Pause. Hat heute ein paarmal auf der Hinterpfote gehinkt. Nach einer grossen Büchse Futter und Resten vom Mittagessen, die Manolo gesammelt hat, und einem Spaziergang bringe ich ihn ins Zimmer an seinen Schlafplatz. Er legt sich gleich auf die Matte und rollt sich zusammen. Wie ausdauernd, treu und heldenhaft er sich doch hält. Sovieles kann ich von ihm lernen. Ein Buch aus seiner Sicht?
Während ich das schreibe, sitze ich im Hotel Victorino in Bandeira bei einem Glas Wein. Joe ist jetzt bei Margot zum Nachtessen. Ein Stück näher. Solange habe ich seine Stimme nicht mehr gehört. Warum nicht mal anrufen? Wunderbar! Ich esse noch ein bisschen Käse, Brot und trinke Wein und gehe dann auch schlafen. Draussen stürmt es gewaltig.