Mittwoch, 15. September 2004

Vorbereitung

Schon bevor ich 1999 nach Portugal kam, hatte ich mal die Vision mit einem Esel zu wandern, mich nur noch zu Fuss fortzubewegen. Doch dann war da zuerst der Toyota Landcruiser, der mich, meinen Geliebten und unseren Hausrat in mehreren Pendelfahrten von der Schweiz nach Portugal trug. Dann kam ein azurblauer, nigelnagelneuer Mitsubishi Sports Wagon mit portugiesischem Nummernschild, der sich zwischen meine Füsse und die Erde drängte. Er war praktisch und bequem. Praktisch um Zementsäcke, Steine, Fliessen und anderes Baumaterial für unsere Renovationsvorhaben heranzukarren, um Einkäufe zu erledigen, auch um das Mis-en-Place für die Tiegelküche zu transportieren und bequem, weil man noch schnell zum Vergnügen an den Strand und in die Stadt fahren konnte und er Klimaanlage hatte.
Erst mit dem Verkauf von Haus und Auto im August 2004 stellte sich die Frage nach dem Übergang, dem Übergang zu Brasilien, wohin es meinen Liebsten so übermächtig zog, während mein Herz noch ganz in Portugal war, die kommenden Erschütterungen aber schon vorausahnte.
Wo hat es angefangen? Was gehört zur Geschichte, was ist eine andere Geschichte? Wie entwirre ich die Fäden meines Lebens? Soll ich die Knäuel hinter mir aufwickeln, während ich sie vorwärtsspinne? Oder sie ausgebreitet liegen lassen, als meine Spuren?
Kurz gesagt, die Welt und ich waren im September 2004 bereit für die Ruta de la Plata. Als Führer sollten mir die Etappenbeschreibungen von Ulrich Sahl dienen, die ich mir aus dem Internet ausgedruckt hatte. Jede Etappe eine A4-Seite, vorne die Wegbeschreibung, hinten leer für meine eigenen Tagebucheinträge. Ich hatte mir vorgenommen, jeden Tag immer nur die Wegbeschreibung des kommenden Tages zu lesen, um möglichst im Moment zu sein und mir keine Sorgen über die Zukunft zu machen. Ist mir nicht immer gelungen. Alle paar Tage oder wenn gerade eine Poststelle am Weg lag, habe ich die beschriebenen Seiten in ein Kouvert gesteckt und an meine Freundin geschickt.
Körperlich habe ich mich nicht speziell vorbereitet. Habe mir einfach vorgenommen, auf meinen Körper zu hören und langsam zu beginnen.
Auf Fotoapparat und Handy habe ich verzichtet. Zuviel Ballast und Ablenkung und ich wollte meine eigenen Kommunikationsfähigkeiten erproben und entwickeln.
Liebe Freundinnen und Freunde haben mit mir Abschied gefeiert und danach in der letzten Nacht habe ich meinen Rucksack gepackt.
Mein Liebster hatte mich mit dem Camper zum Flughafen Mulhouse gebracht, von wo ich zu meiner Freundin nach Portugal und zum Startpunkt meiner Pilgerreise flog. Wir hatten verabredet, dass wir uns dann Ende Oktober in Santiago de Compostela wiedersehen.