Wegbeschreibung und Bilder
Festmahl für Putter zum Frühstück. Die Partygäste haben viele Reste gelassen, Wurst, Käse, Empanadas, Brot und Kuchen. Beim Verlassen des Hotels begegne ich den letzten Nachtschwärmern, die in Socken in ihre Zimmer schleichen. Frische Luft draussen. Rechts von mir geht die Sonne blutrot auf. Zwischendurch fühle ich mich wie ein Lastesel und beneide Putter, der unbeschwert herumrennen kann. Eigentlich hatte ich mir das ja mal anders vorgestellt, wandern mit einem Esel, der das Gepäck trägt. Jetzt bin ich selber der Esel. Wanderschuhe: Schutz oder Folterinstrumente? Was ist das Gegenteil von Folter? Wohltat? Ebenso der Rucksack: 2.Folterinstrument. Ich sitze dem Polideportivo gegenüber. Das Schwimmbad ist leider schon geschlossen. Ich esse Tapas mit Sesamcrackern und trinke einen Cafe con Leche dazu. Putter erhält unbestellt Wasser. Einige Kinder ärgern ihn und er knurrt sie böse an. Ich gebe meinen Füssen eine lange Pause und lasse sie aus den Schuhen raus. Am rechten kleinen Zeh zeigt sich eine kleine Blase. Frage mich, ob es meinen Füssen ohne die Wanderschuhe besser gefallen würde. Das erste Mal tauchen Sorgen auf. Bin ich auf dem richtigen Weg? Ich begegne Polizisten und Pferden. Die Hasen am Weg führen Putter an der Nase herum. Sie sind schlauer und schneller als er. Doch er ist so klug, die Jagd bald abzubrechen.
In der Mittagshitze schaffe ich es gerade von Guillena über den Rivera de Huelva zur Casa de Venta de Thadera, wo es nicht nur die Möglichkeit zu einem kurzen Imbiss gibt, sondern auch zu einem Schäferstündchen mit dem Chef, der nach Feierabend um 16.00 Uhr noch die Fossa entleert. Dabei knurrt ihn Putter feindselig an, während ich so naiv bin und ein Gespräch anfange. Stelle auch noch so blöde Fragen, wie lange es dauert mit der Fossa und ob viele Pilger vorbeikommen. Und sage ihm, dass das ein schöner Ort für eine Siesta ist. Ein Mann versteht das wohl alles ganz anders als ich es meine. Ich will ja bloss freundlich sein und mein Spanisch üben. Er fragt mich, ob ich gerne etwas trinken oder essen möchte. Statt dass ich hellhörig werde, willige ich auf eine Flasche Wasser und einen Kaffee ein und nehme dann noch eine Süssigkeit. Ganz vergessend, dass man von fremden Männern nichts annehmen soll. Zum Glück erscheint in diesem Moment ein Polizist. Und bei der schnellen Bewegung des Chefs mit der Hand zum Hosenladen wird auch mir langsam klar, was läuft. Ich verziehe mich wieder hinaus zu Putter, dessen Instinkt ich zum ersten, bzw. zweiten Mal heute bewundere. Mit ihm bin ich wirklich sicher. Hei, Sicherheit ist nur eine Illusion. Ich verkürze meine Siesta und verabschiede mich beim Chef, der mit glänzenden Äuglein und offenem Hosenladen dasteht. Nachher fallen mir lauter Sprüche ein. Und das Erlebnis bleibt noch eine Weile unangenehm in meinem Kopf und in meinen Gedanken haften. Endlich komme ich von der Strasse weg auf einen Naturpfad. Doch lange halte ich in der Hitze nicht durch. Setze mich versteckt vom Weg hinter ein schattenspendendes Olivengebüsch und warte auf die abendliche Kühle. Als sie kommt, geht es wieder weiter. Ackerland und Plantagen werden durch Weideland abgelöst. Ich komme durch eine wunderschöne, eichenbestandene Hügellandschaft, wo sanfte, braune Kühe grasen. In einer Schlucht gibt es einen Stau und ich trample langsam den Rindviechern hinterher. 3 mächtige Stiere laufen vor uns in gemächlichem Schritt. Davor Mutterkühe mit Kälbern, die mich beim Vorbeigehen mit tiefgründigen, sanften Augen anschauen. Der Blick trifft meine Seele und Tränen steigen auf. Ein wunderbares Gefühl der Verbundenheit mit diesen so in sich ruhenden und friedlichen Tieren. Am Boden liegt eine schneeweisse, flauschige Feder für mich. Ich kröne damit meinen Hut, der im Moment mein liebstes Teil ist. Ich flirte mit dem Gedanken, draussen zu schlafen. Halte Ausschau nach einem Platz. Doch nachdem ich das Weidegebiet mit der ersten Geschicklichkeitsübung im Zaunöffnen und -schliessen verlassen habe, führt der Weg nur noch in einem engen Korridor zwischen 2 Zäunen. So erreiche ich wieder die Landstrasse, von wo es nicht mehr weit ist zum nächsten Hotel - denke ich. Bei Sonnenuntergang wird es kühler und ich wechsle das völlig durchnässte T-Shirt gegen ein trockenes. Dann geht es bei zunehmender Dunkelheit der Strasse entlang. Zum ersten Mal fürchte ich mich. Die Autos rasen in unheimlicher Geschwindigkeit und Nähe an mir vorbei und der Randstreifen ist schmal, daneben abfallendes Bord, das ich geblendet von Scheinwerfern kaum erkennen kann. Dann endlich die Urbanizacion La Colina mit einem Restaurant, wo ich mich erschöpft hinsetze und uns nochmal einen Wasserhalt gönne. Es ist halb zehn und die Spanier trudeln zum Nachtessen ein. Im Hotel darf Putter bei mir im Zimmer sein. Welche Wohltat, eine Dusche. Doch das ist auch das beste am Zimmer. Die Luft ist stickig und das Bett ein Trampolin. Ich wasche noch meine durchgeschwitzten Kleider, bevor ich mich von diesem Tag verabschiede.